Tabuthema Geburtsverletzungen
Über Geburtsverletzungen wird relativ wenig öffentlich gesprochen. Klar, man lernt ja auch nicht andere Mütter kennen und fragt direkt: „Hi, ich bin XY. Hattest du auch einen Dammriss oder Dammschnitt?“ Käme vielleicht nicht so gut an.
Als junges Mädchen muss man sich mit dem Thema nicht beschäftigen und wenn man keine Kontakte zu Müttern hat, kommt dieser Gesprächspunkt wahrscheinlich auch nicht zustande. So wie bei mir. Ich habe erst mit ca. 20 Jahren erfahren, dass Frau bei einer Geburt
Geburtsverletzungen
davon tragen kann und was ein Dammschnitt überhaupt ist. Ich hatte eine Arbeitskollegin, die nach ihrer Geburt mit einem Sitzring zur Arbeit kam. So kamen wir darüber ins Gespräch und ich erfuhr zum ersten Mal, mit welchen Problemen sie zu tun hatte. Ich glaube, meine Augen wurden noch nie größer.
Mein erster Sohn war ein Wunsch-Kaiserschnitt. Man könnte jetzt meinen, das hätte mit meiner Erinnerung an das o.g. Gespräch zu tun. Dem war aber nicht so, es hatte andere Gründe. Auf jeden Fall saßen wir danach mit der Familie zusammen und irgendwie kam das Thema Geburtsverletzungen auf. Es zeigte sich, dass mein Vater bis dato keine Ahnung hatte, was ein Dammschnitt ist und welche Geburtsverletzungen es so gibt. Davon war ich sehr irritiert, zumal meine Mutter bei meiner Geburt vor 45 Jahren noch geklammert, statt genäht wurde. Ich denke, das Klammern war mindestens so unangenehm, wie es sich anhört.
Dennoch waren Geburtsverletzungen zu dieser Zeit anscheinend ein Tabuthema und darüber wurde nicht viel gesprochen. Zu gern hätte ich jetzt meine Großmütter zu ihren Hausgeburten befragt, aber sie leben leider alle nicht mehr.
Heutzutage sind die Frauen vor einer Geburt meist sehr aufgeklärt. Es gibt zig Ratgeber, Vorbereitungskurse, Hypno-Birthing und natürlich das Internet. Es gibt Tipps, wie eine werdende Mutter Geburtsverletzungen vorbeugen bzw. einen Dammriss/Dammschnitt (vielleicht) vermeiden kann. Stichwort Damm-Massage, Sitzbäder etc.
Welche Geburtsverletzungen können ggf. entstehen?
Dammschnitt, Dammriss und Co.
- Dammriss, verschiedener Grade
- Dammschnitt
- Abschürfungen
- Scheidenrisse
Einen Dammriss
möchte man auf jeden Fall vermeiden. Auch wenn es heißt, dass ein Riss besser zusammenwächst als ein Schnitt. Wenn etwas einreißt, dann an der schwächsten Stelle und unkontrolliert. Bei einer Geburt ist das der Damm. Der Steg zwischen Vulva und Anus. Je nach dem wie weit der Damm einreißt, umso stärker können die Folgen sein, mit der die Frau zu tun hat. Umso dichter der Riss dem Anus kommt, umso länger die Heilung und schwieriger der Toilettengang.
Bei einem Dammschnitt
wird durch die Ärztin ein kontrollierter, schräg angesetzter Schnitt gemacht! Der Damm wird also nicht nach unten hin eingeschnitten, (wo er üblicherweise reißen würde), sondern leicht schräg daneben. Auf ca. „5 Uhr oder 7 Uhr“. Der Schnitt (und natürlich auch ein Riss), werden nach der Geburt vernäht. Die Fäden lösen sich selbst auf.
Abschürfungen
an der Scheide können durch das Kind und den Geburtsvorgang ebenfalls vorkommen, heilen aber ohne Probleme wieder ab.
Scheidenrisse können ebenfalls eine Folge einer vaginalen Geburt sein, vor allem wenn Hilfsmittel zum Einsatz kommen müssen. Sprecht vorher mit einer Hebamme über eure Wünsche einer selbst bestimmten Geburt und welchen Interventionen ggf. zugestimmt werden.
Wenn die Naht nicht hält
Mein zweiter Sohn wurde während des ersten Lockdowns, Ende März 2020 spontan geboren. Es ging relativ schnell und leider musste ein Dammschnitt gesetzt und genäht werden.
Von meiner Hebamme, die mich danach betreuen sollte, wurde ich aufgrund der Corona-Situation versetzt und ich fühlte mich von ihr sehr hängen gelassen. Ich weiß, die Situation war für alle schwierig und wir machten das Beste daraus. Wir liehen uns eine Babywiege, um das Gewicht des Kindes zu kontrollieren und kamen auch sonst zurecht. Es war ja unser zweites Kind.
ABER niemand kontrollierte meine Naht und so kam es, dass bei der gynäkologischen Nachuntersuchung sechs Wochen später festgestellt wurde, dass die Naht gerissen war, die Haut aber inzwischen verheilt ist. Ich habe dadurch keinerlei Probleme und benötige keinen weiteren Eingriff.
Geburtsbericht anfordern
Als ich kürzlich im Krankenhaus auf der Geburtsstation war, um mein Geburtsjournal und Partogramm über meinen Geburtsverlauf abzuholen, sprach ich noch mit der leitenden Oberärztin. Sie erklärte mir, dass es leider auch Frauen gibt, die nach dem Reißen der Naht Probleme wie Schmerzen oder Entzündungen haben und in die Intim-Chirurgie müssen.
Dort wird ein zweiter, kleiner Eingriff vorgenommen, um alles ordentlich zu richten. Der Haken an der Sache ist, dass diese OP bis vor kurzem, von der Kasse noch bezahlt wurde. Jetzt aber NICHT mehr. Selbst wenn die Frauen glaubhaft versichern, Probleme zu haben, muss dieser Eingriff jetzt selbst bezahlt werden.
Geburtsverletzungen sollten kein Tabu-Thema sein und auch kein Grund zur Angst. Die meisten Risse oder Schnitte verheilen ohne Probleme und einige Frauen kommen ja sogar ohne Verletzungen durch die Geburt.
Ein kleiner Helfer
Solltet ihr jedoch genäht werden müssen, achtet auf eine ordentliche Heilung. Ganz wunderbar und eine große Hilfe nach einer Geburt ist eine sogenannte „Po-Dusche“ (Affiliate Link öffnet bei Amazon), mit der man natürlich auch den genähten Intimbereich mit klarem Wasser abspülen kann.
Wie sind denn eure Erfahrungen? Seid ihr ohne davon gekommen oder sind eure Geburtsverletzungen gut verheilt?
Hier findet ihr weiterführende Beiträge zum Thema:
- Schwanger mit 43 Jahren
- später Kinderwunsch – zwischen Hoffen und Bangen
- Zwillinge mit 43 Jahren
- ExpertenInterview – VBAC – Spontangeburt nach Kaiserschnitt
Ich freue mich auch, wenn ihr auf meinem Instagram-Account vorbeischaut.