Kindermund „Du bist böse“ – wie gehen wir mit Ablehnung um
Bei der Überschrift habe ich eine Weile überlegt, wie sie lauten könnte, damit sie in einem Satz das wiedergibt, was ich meine.
- Die „alles ist böse – Phase“ ? oder
- „Du bist böse“ – was Kinder wirklich meinen könnten
Entschieden habe ich mich dann für die Überschrift mit dem Wort „Ablehnung“. Ich glaube, das trifft es am Besten.
Ich bin keine Expertin für Kleinkinder, weder arbeite ich mit Kindern noch habe ich viel Kontakt mit kleinen Kindern. Nur mit einem Kind, meinem Kind. Euch kann ich also nur davon erzählen, wie es bei uns läuft und wie wir mit solchen Sätzen umgehen.
Mein Sohn ist ein eher ruhiger, friedlicher Geselle. Mit 2 Jahren hatte er Kita-Eingewöhnung und mit ca. 2,5 Jahren ging es los:
Kindermund – „du bist böse“
Als ich diese Worte aus seinem Mund das erste Mal hörte, war ich irritiert. Wir nutzen das Wort „böse“ hier zuhause nicht, denn weder Tiere sind böse, noch möchte ich mit ihm jetzt schon über „böse Menschen“ sprechen. Wir sagen also zum Beispiel, der T-Rex ist nicht so lieb oder XY ist gemein.
„Böse“ ist für mich eine deutliche Steigerung, etwas Dunkles. Das echte „böse“ können für mich nur Menschen verkörpern. Tiere handeln aus Hunger oder Instinkt, aber nicht aufgrund ihrer „bösen Natur“.
Natürlich wird ein Kind irgendwann verstehen, dass wir Erwachsene das Wort „böse“ fast täglich in Gebrauch haben und es nicht immer so meinen.
- Ich habe mich böse gestoßen oder
- Ich bin so böse auf mich selbst etc.
Das sind keine schlimmen Floskeln, aber wie soll ein 2-jähriger den Unterschied verstehen? Zurück zum Thema.
Plötzlich kam aus seinem Mund:
- Die Kinder sind böse
- Erzieherin XY ist böse
- Der Schnuller ist böse
- Unsere Hunde sind böse
Was aber am Schlimmsten war, „Papa ist böse“ oder auch zu mir „du bist böse“.
Der Unterschied von Sagen und Meinen
Mein Mann und ich gehen unterschiedlich mit solchen Aussagen um. Mir ist klar, dass ein 2-jähriger nicht meint was er sagt. Obwohl Kinder ehrlicher und gerade heraus sind, als es uns manchmal lieb ist. Dennoch versteht er die Bedeutung des Wortes „böse“ noch nicht.
Auch wenn er recht gut spricht, fehlt ihm ja noch ein riesiger Wortschatz und er kann seine unterschiedlichen Gefühle noch nicht deuten, geschweige denn ausdrücken.
Als ich seiner Erzieherin in der Krippe davon erzählte, dass er sagt „die Kinder seien böse“, erklärte sie mir, dass die gemeinten Kinder häufig laut und wild sind. Sie sind bereits etwas älter und stehen kurz davor, in den Elementar-Bereich zu wechseln. Mein Sohn ist aber eher sehr ruhig und kann mit Lautstärke und Trubel nicht umgehen. Daher „sind die Kinder böse“. Er meint, sie sind ihm zu laut, wild, wie auch immer.
Wenn er mir erzählt, Erzieherin XY ist böse und ich frage ihn, was sie getan hat, antwortet er: sie ist weggegangen. Ich erkläre ihm dann, dass sie vielleicht nur auf Toilette oder etwas holen gegangen ist. Er meint wahrscheinlich, er war traurig, weil sie ihn zurückgelassen und ohne ihn gegangen ist.
„Kindermund,
tut Wahrheit kund?“ Ganz so einfach ist es aber nicht immer.
Was die private Ablehnung hier zuhause angeht, ist das Ganze nochmal ein anderes Thema. Er merkt sofort, wenn einer von uns gereizt, genervt, dünnhäutig, übermüdet oder irgendetwas in der Art ist. Wir erhalten dann postwendend ein „Mama/Papa ist böse“. Er kennt die eben genannten Worte ja noch nicht, wie soll er unseren Gemütszustand also beschreiben?
Ich sehe das Ganze recht gelassen. Mir ist bewusst, dass er mich/uns nicht verletzten möchte und sich nicht anders auszudrücken weiß. Manchmal starte ich einen neuen Versuch ihm zu erklären, dass es nicht nett ist, wenn er so etwas sagt und das die Menschen (oder wir) traurig sind, wenn er so etwas sagt. Je nach Zusammenhang und wie deutlich er in seiner Aussage gerade war, erkläre ich also oder übergehe es auch einfach mal.
Ähnlich ist es übrigens mit seiner neuen Aussage „Lass mich in Ruhe“. Schön finde ich das gewiss nicht, aber wir müssen lernen, damit umzugehen.
Mein Mann hat arg mit diesen Aussagen zu kämpfen. Er kommt nach einem stressigen Arbeitstag nach Hause und nach kurzer Zeit, fliegt ihm dann so ein Satz entgegen. Seine Stimmung, die vielleicht unterbewusst noch gestresst war, sinkt also noch mehr. Ein Kreislauf…
Auch kam es schon vor, dass einer von uns den Kleinen aus Versehen gekratzt hat, sei es beim Anziehen, Toben oder wie auch immer. Da kommt von ihm auch wieder ein „du bist böse“. Ich sage mir, er meint „du hast mir weh getan“. Aber dieser Satz ist noch zuviel für ihn. Dazu kommt, ihm den Unterschied zu erklären, was Absicht ist und was nicht. Auch er hat uns schon aus Versehen weh getan. Ich versuche ihn an diese Situationen zu erinnern und ihm zu erklären, dass es keine Absicht war, ein Versehen.
Dinge passieren, man liebt sich trotzdem.
Als Erwachsene dürfen wir nicht eingeschnappt sein, wenn unser Kleinkind uns solche Aussagen entgegen wirft. Ab welchem Alter ich das anders sehen werde, weiß ich noch nicht. Umso älter (m)ein Kind wird, umso mehr Umsichtigkeit kann ich erwarten.
Aber da liegt der Knackpunkt. Wir haben eine Erwartungshaltung an unsere Kinder, Dankbarkeit, Verständnis, Vertrauen, Empathie, aber es liegt an UNS Erwachsenen, uns davon frei zu machen. Nur was wir ihnen vorleben, werden sie irgendwann übernehmen.
Auch wenn es nicht immer ganz einfach ist und Ablehnung uns als Eltern auch traurig stimmen darf, sind wir die Erwachsenen und es liegt an uns, auf unsere Kinder zu zugehen und ihnen Gefühle und Situationen zu erklären.
2 Comments
Lucie Remus
Da hast du ein brisantes Thema angesprochen. Ich finde deine Sichtweise nachvollziehbar und es ist hilfreich sich mit (vermeintlich) ablehnenden Sätzen auseinanderzusetzen, bevor man sie vom eigenen Kind gesagt bekommt. Sicherlich lässt einen sowas nicht kalt, aber es tut gut sich vor Augen zu führen, dass es vom Kind sehr wahrscheinlich nicht genauso gemeint war. Danke für den Denkanstoß.
Doreen
Ein toller Text. 🤗
Unsere Tochter sagt auch zu uns auch ab und an „Geh weg“, „lass mich in Ruhe“. Auch wenn es einem als Elternteil ein nicht so schönes Gefühl gibt, haben wir diese Sätze unserem Kind bewusst beigebracht.
Warum?
Unsere Tochter geht auch seit einiger Zeit in die Kita. Wie bei euch kann es dem Kind einfach mal zu viel werden. Also haben wir ihr vermittelt, dass sie diese Sätze sagen kann/soll wenn es ihr zu viel ist Bzw Ruhe haben möchte, sie heute mal nicht möchte, dass Kind xy bei ihr ist, oder auch wenn sie vor uns eine „Pause“ möchte.
Einfach mal Nein sagen !
Da sie mit ihren 2 Jahren einen „eingeschränkten“ Wortschatz hat (auch wenn sie erzählt und singt wie ein Wasserfall ) , empfanden wir die kurzen und bündigen Sätze als passend.
Das wichtigste ist natürlich auch, dass man diese Aussage auch als Eltern akzeptiert.