Diagnose Trisomie_21 und warum sie sich für das Leben ihres Babys entschied. Ein Erfahrungsbericht voller Liebe zum Kind.
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Trisomie 21 – Entscheidung für mein Baby

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Trisomie 21 – eine Diagnose, die oft im Kopf von ü40 Müttern herumschwirrt und vor der uns manchmal richtig Angst gemacht wird. All die Risiken von späten Schwangerschaften etc. Ich werde nie den Satz meines Gynäkologen vergessen, der damals sagte: „Trisomie 21 ist von allen Trisomien noch die am wenigsten Schlimmste“. Ich hatte mich nie damit beschäftigt, was es noch an Trisomien gibt und das war auch gut so.

Hier auf dem Blog Mamaleben.de schreibe ich viel über meine eigenen Erfahrungen und meine Geschichte als ü40 Mama, aber ich darf auch viele eurer Mutmachgeschichten veröffentlichen. Sie sollen Hoffnung geben und aufklären. Zur Aufklärung gehört natürlich auch, alle Seiten mal zu beleuchten.

Hier folgt ein Interview mit Andrea, deren Sohn mit Trisomie 21 geboren wurde.


Von keinem Kind zu 4

Ich bin Andrea, 44 Jahre alt. Meine Geschichte beginnt, als ich mit Ende 20 erfuhr, dass ich mit meinem damaligen Mann keine Kinder bekommen konnte. Eine Welt brach für mich zusammen. Ein Leben ohne Kinder? Unvorstellbar!

Wir versuchten es mit künstlichen Befruchtungen, vier an der Zahl! Ohne Erfolg. Eine Fehlgeburt, ganz früh in der Schwangerschaft, mehr nicht. Dafür aber viele Tränen, Verzweiflung, Enttäuschung, Wut, Trauer…wieder Hoffnung und am Ende eine Abwärtsstpirale in die Depression. Eheprobleme inklusive.

Dann entschieden wir uns, ein Kind zu adoptieren, was im Alter von 32 Jahren klappte. Unser Sohn war fast 2 Jahre alt, als er zu uns kam. Und dann, ein halbes Jahr später, schwanger! Einfach so. Als wäre es das einfachste von der Welt. Hört man immer wieder, glaubt man aber nicht dran.

Im Alter von 38 Jahren kam dann noch meine Tochter dazu und machte mein Mutterglück perfekt. Dafür scheiterte die Ehe. Zu viel war zu früh zerbrochen unsere Welten waren nicht mehr die Gleichen.

(M)eine neue Liebesgeschichte

Nach 2 Jahren, in denen ich alleinerziehend war, trat mein heutiger Partner in mein Leben – ein Geschenk! Nie hätte ich gedacht, nach alldem, die Liebe meines Lebens zu treffen. Wir wussten, dass wir zusammen gehören. Mein Deckel. Kitschig, aber schön.

Nach 3 Kindern aus erster Ehe sollte es mit meinem neuen Partner noch einen kleinen Nachzügler geben. Nie hätte ich gedacht, das e so schnell mit einer Schwangerschaft klappt. Als sollte es einfach so ein.

Ich erinnere mich genau an den Tag beim Frauenarzt. Endlich waren die ersten 3 Monate vorbei und ich war so freudig gespannt auf den Ultraschall in der 15. Schwangerschaftswoche.

Auf dem Bildschirm war mein kleiner Sohn zusehen. Das erste, was zu erkennen war, war eine wahnsinnig volle Blase. Die Frauenärztin war sehr angespannt, das Wort Megazystis fiel. Ich fülte ich wie einer Blase, einem bösen Traum. Da war auf einmal soviel Angst, Angst mein Baby zu verlieren.

Drei Tage später bestätigte die Pränataldiagnostikerin die Megazystis. Es wurde eine verdickte Nackenfalte gemessen und eine Mutterkuchenbiopsie veranlasst. Eine Woche später dann das Ergebnis:

Trisomie 21

Leben mit Trisomie 21 Pin

Mein Partner und ich beschlossen, um unseren kleinen Sohn zu kämpfen. Er sollte entscheiden, wie lange er mit uns kämpfen würde. So wurde in der 17. Ssw in einer Op ein Shunt in seine Blase gelegt. Alles verlief ohne Kompliktionen. Die Blase entleerte sich und unsere Anspannung fiel vorerst ab.

Die Schwangerschaft verlief danach mit Höhen und Tiefen. Anfängliche Diagnosen verschwanden, andere kamen hinzu. Jede Woche Termine und viele Ängste. Aber mein kleiner Sohn hat mir täglich gezeigt, dass er auf diese Welt möchte. Kräftige Tritte und wunderschöne Momente.

In der 32. Ssw rutschte der Shunt unter die Bauchdecke, die Blase lieb aber weiterhin nur leicht gefüllt. Hoffnung keimte auf, dass es sich von allein erledigt hatte. Leider wurde das Fruchtwasser aber immer weniger, bis in der Woche 36 nichts mehr da war. Wir entschieden, unseren Sohn in der 37. Ssw zu holen.

Die Zeit nach der Geburt

Er war ganz blau, schrie nicht, sah mich für einen Bruchteil von Sekunden an und wurde sofort weggebracht. Im Nebenraum intubierte man ihn und brachte ihn umgehend auf die Intensivstation. Dort erfuhren wir ein paar Stunden später, wie schlecht es um ihn stand.

Zur Trisomie 21 gesellten sich leider einige, organische Baustellen. Die Ärzte rieten uns, ihn gehen zu lassen. Sollte nun sein und unser monatelanger Kampf umsonst gewesen sein? Tief in unserem Inneren spürten wir ganz stark, dass er leben wollte. Also entschieden wir uns wieder fürs kämpfen.

Unser Sohn wurde sofort notoperiert. Da lag er nun, unser kleines Überlebenswunder. Er kämpfte sich Tag für Tag ins Leben. Was sollen wir sagen? Nach 4 Wochen durfte er das Krankenhaus verlassen.

Nun wird er bald 1 Jahr alt! Sein Weg ist noch weit und sicherlich das eine oder andere Mal, steinig. Es gibt immer noch Baustellen mit Aufenthalten in Krankenhäusern, aber das schaffen wir. Alles Schritt für Schritt.

Hat die Krankheit deines Sohnes mit der Trisomie 21 direkt zu tun?

Das ist nicht so einfach. Es kann mit der Trisomie 21 zusammenhängen, muss es aber nicht. Fakt ist, dass ich mittlerweile einige Babys mit Down Syndrom kenne und nur mein Sohn diese Baustellen hat. Die allerdings für eine Trisomie nicht unüblich sind.

Zur Zeit gehen wir zur Physiotherapie und Logopädie und im kommenden Jahr zusätzlich zur Frühförderung.

Mal steht die Trisomie 21 im Vordergrund, mal die organischen Baustellen. Wir sind alle eng zusammen geschweißt. Unser Sohn ist unser Wunderkind. Ein fröhlicher, lieber und fast immer gut gelaunter, kleiner Junge, der unheimlich viel lacht.

Er macht riesige Fortschritte und freut sich über so vieles so herzlich. Er bereichert unsere Familie so sehr und wir sind sehr dankbar, ihn zu haben!

9 von 10 Schwangerschaften mit Trisomie werden abgebrochen

In der Schwangerschaft hat mir die Trisomie 21 manchmal Angst gemacht, dann wieder eher sein Gesundheitszustand. Vor der Trisomie hätte ich, im Nachhinein!, am wenigsten Angst haben müssen.

Wir gehen mit steigendem Alter ein gewisses Risiko für eine Trisomie 21 ein und immer noch werden 9 von 10 Schwangerschaft deswegen beendet.

Ich möchte das nicht verurteilen. Jede Mutter muss wissen, wo ihre Grenzen sind und was sie schafft. Was ich jedoch erschreckend finde ist, wie oft mir von ärztlicher Seite zur Abtreibung geraten wurde. Ein Kind mit Down Syndrom darf man bis kurz vor der Geburt abtreiben. Das verurteile ich zutiefst, denn es wertet das Leben dieser wunderbaren Menschen massiv ab.

Es muss sich etwas ändern!

Warum gibt es in Wartezimmern keine Broschüren über Trisomie 21 und eine bessere Unterstützung und Aufklärung in den Praxen? Ich musste mir das alles selber heraussuchen, Kontakte knüpfen, Informationen sammeln.

Ich bin mit meinem Sohn im letzten Jahr über mich hinaus gewachsen, über meine persönlichen Grenzen gegangen. Er hat mir gezeigt, was alles in mir steckt. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Ich habe eine besondere Verbindung zu ihm und sehe es heute als Geschenk, seine Mutter sein zu dürfen.

Oft habe ich mich gefragt, ob es ok für IHN ist. All die Päckchen, die das Leben ihm mit auf den Weg gegeben hat. Dann strahlt er mich an und ich sage mir, dass er mit entschieden hat, zu leben. Er besitzt einen unheimlichen Willen, den er von Anfang an gebraucht hat. Und wir sind da, werden ihn begleiten, beschützen und hinter ihm stehen.

Alltag mit Down Syndrom

Heute lebe ich einen fast normalen Alltag mit Partner, 4 Kindern, Hund und einer Menge Chaos. Durch die Pflegestufe haben wir Unterstützung im Haushalt. Und mein Leben bedarf einer sehr guten Organisation und Verwaltung. Es gibt natürlich auch Wochen, wo mir alles zu viel ist und ich überfordert bin. Ich denke, dass ist bei 4 Kindern, Terminen, Pubertät etc., völlig normal.

Ich musste schwerlich lernen, dass es nicht ohne Hilfe geht!

Wie sind seine Geschwister mit der Diangnose umgegangen und wie sehen sie ihn jetzt?

Meine Kinder haben sich auf das Baby gefreut, allerdings sind wir in der Schwangerschaft sehr offen damit umgegangen, dass er jederzeit sterben kann. Das war, vor allem für meine kleine Tochter, schwierig. Heute sehen sie ihn als ganz normales Baby und so gehen sie auch alle mit ihm um. Sie sind seine besten Therapeuten. Wir lernen trotzdem gerade Gebärdensprache.

Wir wollen nun langsam mit dem Babysitter beginnen, um uns Auszeiten zu gönnen, für unsere Partnerschaft. Mein Partner liebt unseren Sohn über alles und wir sind zu einem super Team geworden. Auch mit den 3 anderen Kindern kommt er gut klar. Vom Singlehaushalt ins Leben zu sechst! Dafür zolle ich ihm jeden Tag Respekt.

Ich habe mit einer Freundin eine Krabbelgruppe für Babys mit Down Syndrom gegründet, hoffe nächstes Jahr auf einen Krippenplatz und möchte auch wieder arbeiten gehen. Aber wie gesagt: Step by Step.

Hattest du je mit Vorurteilen aufgrund deines Altes zu tun?

Eigentlich nicht. Ich habe mir den Schuh der Trisomie sehr lange selbst angezogen. Meine Freunde und meine Familie standen immer hinter uns und sie haben viel Respekt vor unserem Leben. Keiner würde tauschen wollen. Ich bin ein sehr offener Mensch und kommuniziere auch so. Das habe ich schon während der Schwangerschaft getan. Mir war das lieber, als mitleidige Blicke in den Kinderwagen.


Ich danke dir für diesen wunderbaren, sehr persönlichen Einblick in dein bzw. euer Leben. Ich hoffe sehr, dass diese ehrliche Geschichte anderen Paaren etwas Mut macht.

3 Comments

  • Mona

    Danke für das tolle Interview. Es ist schön mal so einen Bericht zu lesen. Was mir zu den Thema gerade fehlt, ist mehr Aufklärung. Daher danke dafür. Nicht jede Trisomie 21 Diagnose führt zu großen Einschränkungen. Es gibt sogar Downies die ein eigenständiges Leben führen können und sogar studiert haben. Alles Gute weiterhin.

  • Despina

    Vielen Dank für dieses tolle Interview. Tatsächlich haben wir uns auch sehr mit dem Thema beschäftigt und für uns steht fest, dass wir auch ein Kind mit Trisomie 21 herzlich willkommen heißen möchten. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viel mit jungen Erwachsenen mit Trisomie 21 zu tun gehabt und habe deshalb keine „Berührungsängste“. Natürlich gibt es auch schwere Formen…deshalb sollte man sich sicher sein und im Vorfeld am besten informieren wenn man unsicher ist oder angst hat. Vielleicht sogar bei einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung vorbeischauen. Ich weiß nicht ob das möglich ist, aber die Menschen freuen sich bestimmt auch über Besuch 😊

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