Schwanger mit 40, stille Geburt – eine emotionale Geschichte die berührt
Schwanger mit 40 – Es läuft leider nicht immer, wie wir uns das wünschen. Es folgt ein großartig geschriebener Gastbeitrag von Katrin. Habt ihr Fragen oder möchtet ihr Katrin etwas mitteilen, hinterlasst gern einen Kommentar unter diesem Beitrag und/oder besucht ihre Webseite (Link oben).
Ich wollte nie Kinder. Ich habe nie verstanden, worin für so viele Menschen der Reiz besteht Kinder zu bekommen. Woher sollte ich das auch wissen? Dann wurde ich mit 37 plötzlich ungewollt schwanger und war völlig geschockt. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich es erfuhr.
Für mich überraschend war der Frauenarzt, bei dem ich bisher in Behandlung gewesen war, in Rente gegangen und so saß ich zwar im selben Wartezimmer aber würde gleich einer fremden Gynäkologin gegenübertreten, zu deren Arzthelferin ich eben völlig überzeugt gesagt hatte: „Nein, ich habe noch keinen Test gemacht. Ich habe ja meine Tage, die Symptome sind eindeutig, wie immer. Nur, dass ich
nicht blute.“ Einen Test musste ich trotzdem machen.
„Der Test ist positiv – Schwanger mit 37“
Zumindest die Stühle im Wartezimmer waren mir noch vertraut, ebenso wie der Ausblick aus dem Fenster. Während mein Blick über die Menschen draußen auf der Straße schweifte, fiel mir ein, dass ich gleich noch Käse kaufen musste. Dann schaute die Arzthelferin zur Tür rein und sagte: „Der Test ist positiv“.
Im Nachhinein wurde mir klar, wie unangebracht diese Verhaltensweise war. Es befand sich zwar niemand außer mir im Wartezimmer, aber einer Frau, über die man nichts weiß, mal eben aus dem Türrahmen heraus zu sagen, dass sie schwanger ist, finde ich hart unprofessionell. Sie wusste nichts über meine Lebenssituation, nichts darüber, was diese Information mit mir machte. Nachdem ich sie einige Sekunden wie ein Auto angeschaut haben musste, fügte sie dann noch hinzu, dass sie die Untersuchung jetzt vorbereite und ich dann gleich zu Frau Doktor könne. Dann schloss sie die Tür.
Zurück blieb ich. „Der Test ist positiv“ hallte in meiner einen Gehirnhälfte wider und „Ich muss noch Käse kaufen“ in der anderen.
Der Schock hielt ganz schön lange an. Eine Schwangerschaft schien zu diesem Zeitpunkt so wenig mit mir zu tun zu haben, wie ein Töpferkurs mit einer Schildkröte. Ich zweifelte viel. Würde ich eine gute Mutter sein können? Würde ich die Arbeit und die Familie vereinbaren können? Warum hatte diese kleine Seele denn gerade mich ausgesucht, es gab doch bestimmt viel fähigere Mamas als mich? Warum ich und nicht meine Freundin, die sich schon so lange ein Baby wünscht und bei der es einfach nicht klappen will?
Wir sind Team Liebe. Und es hat gerade erst angefangen.
Es dauerte mehrere Wochen, bis ich mich freuen konnte und ich war sehr irritiert darüber, dass sich alle um mich herum scheinbar riesig freuten. Zum Glück konnte ich meine Emotionen, Gedanken und Ängste mit meinem Mann, damals noch meinem Freund, teilen. Trotz Gefühlschaos waren wir uns schnell klar darüber, dass wir uns dieser Verantwortung stellen würden. Auch wenn wir nicht im Ansatz ahnen konnten, was da auf uns zukam, wir wollten dieses Abenteuer annehmen und unser allerbestes geben. Und das taten wir. Wir beschlossen sogar zu heiraten und wurden Eltern.
Was für ein Wahnsinn! Was für ein Geschenk!
In einem Blogartikel über das perfekt unperfekte Muttersein würde ich später einmal schreiben:
„Ich bin noch nie im Leben so oft gescheitert und wieder aufgestanden. Ich bin noch nie an etwas so gewachsen.“
Mittlerweile ist mein Sohn fast vier und die größte Liebe meines Lebens. Ich bin so stolz auf ihn, auf meinen Mann, auf mich, auf uns! Wir sind Team Liebe. Und es hat gerade erst angefangen. Die Schwangerschaft war problemlos verlaufen. Das Einzige, was mir sehr zusetzte war der Fakt, aus Sicht der Ärzte einen geplanten Kaiserschnitt durchführen zu müssen.
Ich habe einen angeborenen Herzfehler und da wollten natürlich alle auf Nummer sicher gehen. Damals traute ich mich nicht dagegen an. Allerdings war es superschwer für mich, nicht wie gewünscht entbinden zu können. Das können mit Sicherheit viele Mamas nachvollziehen, denen es ähnlich erging. Zu der Zeit wusste ich nicht, dass sich mein Bedürfnis nach einer natürlichen Geburt auf sehr traurige Art und Weise noch erfüllen sollte.
Erneut schwanger mit 40!
An meinem 40. Geburtstag machte ich einen Schwangerschaftstest. Er war positiv, schwanger mit 40 Jahren. Der Wunsch nach einem zweiten Kind kam bei mir erst nach ein paar Jahren auf. Die erste Geburt
rund um den Kaiserschnitt gehört nicht gerade zu den Lieblingserfahrungen meines Lebens und wirkte deshalb lange bei mir nach. Dann versuchten wir es. Zu dem Zeitpunkt war ich 39.
Es war für mich total spannend, die Schwangerschaft diesmal richtig zu planen, den Eisprung im Blick zu haben, mitzufiebern ob die Periode jetzt kommt, oder nicht. Letztes Jahr im Juli, an meinem 40. Geburtstag machte ich einen Schwangerschaftstest. Er war positiv. Wir waren super happy. Diesmal wollte ich alles machen, was ich bei der ersten Schwangerschaft vor lauter Schock nicht konnte oder wollte:
- Schwangerschaftsyoja,
- eine App, die mir jede Woche zeigt, was mein Baby jetzt kann und wie groß es schon ist („Dein Baby hat jetzt die Größe einer Dattel.“)
- und mich einfach von Anfang an freuen
Gleichzeitig hatte ich jedoch viel Stress und emotionale Aufregung auf der Arbeit, denn ich war mit Leitungsverantwortung in einem Wohnheim für psychisch kranke Erwachsene angestellt. Meine Frauenärztin (andere, wunderbare Praxis mit kompetenten Menschen) hat mir deshalb zeitnah das
Beschäftigungsverbot ausgestellt. Es dauerte ein bisschen, bevor es mir gelang, den Stresspegel, auf
dem ich mich befand abzusenken. Doch ich freute mich sehr auf die gewonnene Zeit und darauf, die
Schwangerschaft nun endlich in vollen Zügen genießen und meinem Körper die Ruhe gönnen zu
können, die er so nötig hatte.
Jede Frau sollte die Unterstützung bekommen, die sie in dem Moment braucht.
Leider war diese Freude nur von kurzer Dauer. In der 16. SSW bei der Routine Untersuchung erfuhr ich, dass das kleine Herzchen in mir nicht mehr schlug. Das Gefühl war unbeschreiblich. Es war Freitag und meine Gynäkologin fragte mich, was mein Impuls sei, ob ich erstmal nach Hause wolle, um übers Wochenende alles in Ruhe zu verdauen, oder ob sie mir direkt eine Überweisung ins Krankenhaus fertig machen soll.
Ich wünsche wirklich jeder Frau in dieser Situation, dass ihr diese Frage gestellt wird: „Was ist dein Impuls, was brauchst du jetzt?“
So unterschiedlich, wie jede Frau ist, so unterschiedlich ist die Reaktion auf so eine Erfahrung. Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Jede Frau sollte die Unterstützung bekommen, die sie in dem Moment braucht.
Zu Hause recherchierte ich viel. Ich lernte neue Begriffe kennen wie „missed abortion“ und „Kürettage“ und las über so viele Schicksale, die so wahnsinnig berührend waren. Ich fand heraus, dass es einen gesetzlichen Unterschied zwischen Fehl- und Totgeburt gibt (betrifft u.a. den Mutterschutz), dass viele Frauen und noch mehr Ärzte unterschiedlichste Varianten hatten, mit solch einer Situation umzugehen und dass es so unglaublich häufig vorkommt und trotzdem kaum darüber gesprochen wird. Ich nahm mir Zeit zu trauern.
Da ich selbst psychotherapeutisch arbeite und mitten in einer Fortbildung zum Thema Trauma steckte, war mir aus fachlicher Sicht klar, was nun wichtig war. Das half mir, denn ich ließ die Trauer zu, schrieb einen Brief an mein Baby, in dem ich mich verabschiedete und mich bei ihm bedankte, redete viel, vor allem mit anderen Mamas, die so etwas schon erlebt hatten und holte mir Hilfe bei der Psychotherapeutin meines Vertrauens.
Vom Wunschkind zur stillen Geburt
Ein paar Tage später kam es zur stillen Geburt. Mein Körper leitete sie mit Wehen ein, wir fuhren ins Krankenhaus und so kam es schließlich zu der natürlichen Geburt, die ich mir immer gewünscht hatte. Leider mit einem sehr bitteren Beigeschmack. Ich habe meinen Körper einfach machen lassen und einmal mehr gemerkt, was für ein Wunder dieser Körper ist und was er alles schafft! Wir wurden durch das Krankenhaus an die Sternenkinderambulanz angebunden, was wirklich ein Geschenk war. Hier wurde ganz einfühlsam mit unserer Situation umgegangen, wir wurden sehr herzlich betreut und unsere Wünsche wurden vollkommen akzeptiert. Auch hier wünschte ich, dass jedem Elternteil diese Unterstützung zu Teil
würde.
Aufwind
Das alles ist jetzt 8 Monate her und hat unser Familienleben, unsere Paarbeziehung und auch meine Persönlichkeit sehr verändert und durcheinandergewirbelt. Natürlich gab es viel zu verarbeiten und jeder geht mit diesen Gefühlen anders um. Jeder trauert anders. Das zu akzeptieren ist oft nicht leicht.
Seit einigen Monaten spüre ich nun endlich einen Aufwind. Ich habe mich schließlich ganz lebensmutig dazu entschlossen, mich selbständig zu machen. Und das fühlt sich so mega gut und
richtig an! Durch die ganze Krise ist mir einmal mehr klar geworden, was ich brauche um noch heilen zu können und vor allem, um gesund zu bleiben und meine Kräfte gerecht für mich, meine Familie und für die Welt da draußen aufteilen zu können. Dazu gehört vor allem, meine eigene Chefin zu sein und die Dinge zu tun, die ich liebe.
Ich habe selbst erlebt, wie schwer es ist während der Schwangerschaft, dem Mama-Sein und dem Verarbeiten der Fehlgeburt auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten und diese trotz bewegendem Alltag nicht aus den Augen zu verlieren. Für mich war und ist der Kontakt zu mir selbst die wichtigste
Basis dafür, inmitten dieser vielen spannenden aber auch unfassbar herausfordernden Zeiten zu überleben, gesund zu bleiben, heilen zu können und vor allem, nicht zu verzweifeln, sondern das Leben als lebenswert zu empfinden, anstatt einfach nur zu funktionieren, bis nichts mehr geht.
Achtsamkeit ist mir ein Herzensthema geworden. Ein Rettungsanker.
Vorher dachte ich, Achtsamkeit bedeutet, dass man ständig meditiert oder andere Techniken machen muss, sich täglich extra Zeit einräumen muss, damit es überhaupt wirkt. Natürlich ist es super hilfreich, wenn es gelingt, sich spezielle Zeiten im Alltag freizuschaufeln, aber das gelang mir mit Baby nicht und ist heute, mit Dreijährigem immer noch nicht regelmäßig möglich. Zum Glück gibt es da aber auch noch einen anderen Weg. Ein Weg, der auch im Mamaalltag funktioniert und mit dem es mir gelingt, bei meinen Bedürfnissen zu bleiben und für diese einzustehen, ohne dabei über die der anderen hinweg zu gehen. Und diesen Weg möchte ich gerne weitergeben. Auch ich möchte gerne mit meiner Geschichte und meiner Arbeit Mut machen und Mamas unterstützen.
Ich werde diesen Monat 41. Und ich habe zwei Wünsche für mein kommendes Lebensjahr:
Dass meine Selbständigkeit gut anläuft und dass ich wieder schwanger werde.
Es bleibt spannend.
Was mir geholfen hat, die Fehlgeburt, die stille Geburt zu verarbeiten:
- Der Austausch mit anderen Betroffenen, zu wissen, dass ich mit meinem Schmerz nicht alleine bin. (Diese Facebook-Gruppe kam für mich zwar zu spät, ist aus meiner Sicht aber ein ganz wunderbares Medium dafür.)
- Die wahnsinnig beeindruckende Kraft der anderen Sternenmamas. Ich bin völlig überwältigt, von den krassen Erfahrungen, die so viele Mamas schon durchgemacht haben. Trotz allem geben sie nicht auf, verlieren nicht die Hoffnung sondern machen weiter. Ich ziehe meinen Hut vor Euch! Verliert niemals den Mut!
- Meine Familie. Mein Mann, der das Krankenhauspersonal verrückt gemacht hat, damit er trotz Corona-Maßnahmen an meiner Seite sein konnte. Mein Sohn, der sich mit seinem Teddy an mich ankuschelte, als ich weinte und sagte: „Aber Mama, der Bär und ich sind doch immer für Dich da.“
- Über Häufigkeit und Ursachen zu recherchieren und mit Fachpersonal zu sprechen hat mir geholfen, die eigenen Schuldgefühle (zu viel gearbeitet, zu schlecht gegessen, mich zu wenig für mich und mein Baby eingesetzt) loszuwerden.
- Darüber reden und es entstigmatisieren. Auf meiner Website (www.mind-yourself.de) sowie meinem Instagram-Account @mind_yourself.de und überall dort, wo ich öffentlich Infos über mich und meine Dienstleistung preisgebe, steht, dass ich Mama von einem Sohn und einem Sternenkind bin. Mir ist es total wichtig, dass das kein Tabuthema ist!
- Die Unterstützung von außen. Ich habe wahnsinnig viel Rückhalt von Freund*innen und Familie erfahren. Einige haben mir geschrieben und gesagt, sie wüssten gar nicht, was sie tun oder sagen sollen, sie wollen einfach nur, dass ich weiß, dass sie für mich da sind, egal was ich brauche. Das war umwerfend schön!
- Professionelle Hilfe (Gynäkologin, Krankenhaus, Sternenkinderambulanz, Psychotherapeutin)
- Achtsamkeit! Im Kontakt mit mir und meinen Bedürfnissen und Grenzen sein können.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Katrin, für diesen wundervollen, persönlichen und informationen Gastbeitrag! Wenn ihr euch widerfindet und Kontakt zu Katrin aufnehmen möchtet, schaut doch mal auf ihrer Webseite vorbei!
Wenn ihr gern weitere Interviews lesen möchtet, könnt ihr hier unter Interviews stöbern oder allgemeine Beiträge zum Thema späte Mutterschaft hier finden.
Und wer mehr privaten Austausch sucht, der darf gern mal hier hereinspazieren!